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Konzert zum 9. November

Von Daniel Lösker

10.11.2014

Anlässlich der Gedenkfeiern zum 9. November hat der Städtische Musikverein Meppen zusammen mit dem Emsland-Ensemble sowie mehreren Solisten das Deutsche Requiem von Johannes Brahms präsentiert.

Es gibt wohl wenige Termine, die so geeignet scheinen, ein Requiem aufzuführen, wie der 9. November. Bei all den berechtigten Feiern zum 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer und der damit verbundenen Deutschen Einheit darf natürlich nie vergessen werden, was am 9. November 1938, der sogenannten „Reichspogromnacht“ geschah.

So ist es wohl zu verstehen, dass Balthasar Baumgartner mit seinem Städtischen Musikverein Meppen den Vorabend des 9. November wählte, um Johannes Brahms‘ Meisterwerk „Ein Deutsches Requiem“ zu musizieren. Deutlicher wird dies noch dadurch, dass am Anfang des Konzertes mit dem Streichquartett op.2 von Gideon Klein, einem im KZ Fürstengrube/Auschwitz umgekommenen deutsch-tschechischen Komponisten jüdischer Herkunft, ein Werk stand, welches sinnbildlicher nicht sein kann.

Darf man sich auch sonst getrost streiten, ob es sinnvoll ist, neben Brahms‘ Requiem ein anderes Werk aufzuführen – an diesem Abend hatte es seine Berechtigung. Die vier Instrumentalisten des Emsland-Ensembles, Jeanine Thorpe und Sergej Bolotny (Violine), Ekatarina Baranova (Viola) und Olaf Nießing (Violoncello), spielten das 1941 entstandene dreisätzige Quartett mit großer Leidenschaft und musikalischer Hingabe.

Angesichts dieser herrlichen, mitreißenden sowie tiefsinnigen Klangwelt ist es geradezu unverständlich, dass die Werke der Prager Avantgarde um Pavel Haas, Hans Krása und eben Gideon Klein heute immer noch kaum bekannt sind. Für den Einsatz der in den Tiefen des unsäglichen Verdikts der Naziherrschaft über „entartete Kunst“ fast verschwundenen Musik und deren hervorragender Interpretation verdient das Emsland-Ensemble hohe Anerkennung.

Diese muss man auch Balthasar Baumgartner zollen, der seinen Städtischen Musikverein und die Kammerphilharmonie Emsland zu beachtlichen Leistungen inspirierte. Der Chor ist bei Brahms‘ Requiem fast stetig gefordert – eine hohe geistige und stimmliche Aufgabe, die die über 70 Sängerinnen und Sänger mit Bravour leisteten.

Gelegentliche, kaum auffallende kleine Intonationsungenauigkeiten fielen nicht ins Gewicht. Aussprache und besonders Klangvolumen sowie musikalische Phrasierung waren von einer Präzision, die für ein Laienensemble bemerkenswert ist. Wirklich wunderbar, wie der Chor im zentralen „Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth“ die großen Brahms’schen Melodiebögen klangschön und biegsam darbot.

Die Kammerphilharmonie Emsland glänzte unter der klaren und immer gut lesbaren Federführung von Dirigent Baumgartner mit klanglich ausgewogenem und rhythmisch genauem Spiel. Etwas überraschend war es, dass die Verantwortlichen sich dafür entschieden hatten, die von Brahms in der Partitur mit „ad libitum“ eingetragene Orgel einzusetzen. Dies geschah in der langen und bedeutenden Aufführungshistorie des Werks eher selten, hat aber durchaus seinen Reiz. Besonders die schreitenden Viertel auf dem tiefen F der Celli und Kontrabässe im einleitenden „Selig sind, die da Leid tragen“ erhielten durch die Unterstützung von Peter Müller an der großen Orgel einen prägnanteren Charakter.

Manfred Bittner konnte mit seinem sonoren und raumfüllenden Bariton überzeugen, wenngleich in der Höhe die Stimme dem ungeheuren Klangvolumen leichten Tribut zollen musste. Doch wunderbar seine „Zwiesprache“ mit dem Chor, der diese dankend annahm und den Sätzen „Herr, lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss“ und „Denn wir haben hie keine bleibende Statt“ eine bedeutungshohe Aussage gab.

Die aus Lingen stammende Sopranistin Meike Leluschko verfügt über eine beachtliche Höhe, die sie souverän einzusetzen weiß. Doch fehlt ihr der lange Atemzug und die weiche, engelsgleiche Stimme, die Brahms ganz ohne Frage vorschwebte, als er das wunderbare Solo „Ihr habt nun Traurigkeit“ schrieb. Dem entgegen setzen konnte sie ihren Gestaltungswillen und großes Stimmvolumen.

Eine Freude war es, wie Baumgartner den zweiten Satz „Denn alles Fleisch, es ist wie Gras“ interpretieren ließ. Brahms komponierte hier einen Marsch im Dreivierteltakt. Dem durch diesen ungeraden „falschen“ Takt entstehenden drängenden Gestus verliehen die Musiker unter der strengen Vorgabe ihres Dirigenten besonderen Nachdruck. Baumgartner verstand es, Chor und Orchester zu einer homogenen Einheit zu verschmelzen.

Großer Beifall und stehende Ovationen waren der verdiente Lohn für alle Beteiligten, die sich rühmen können, Teil einer Aufführung gewesen zu sein, die einen besonderen Eintrag in die musikalischen Geschichtsbücher Meppens verdient hat.

Quelle:https://www.noz.de/lokales/meppen/artikel/521213/stadtischer-musikverein-meppen-glanzt-mit-deutschem-requiem#gallery&0&0&521213

Foto: Großer Applaus für Chor, Orchester, die Solisten Meike Leluschko und Manfred Bittner (rechts) sowie den Dirigenten Balthasar Baumgartner (Mitte). Foto: Daniel Lösker